„Kind, dichte aber belästige niemand damit."

(Eltern-Ratschlag für die junge Gertrud)

Dies war ein Ratschlag der Eltern an die junge Gertrud.

Nach ihr ist unsere tolle Schule benannt – eine starke Persönlichkeit mit galantem Wortwitz, großem Herz und viel Durchsetzungsvermögen. Was noch so alles in ihrem Leben geschah und warum trotz der Bedenken ihrer Eltern unsere Schule heute nach ihr benannt ist, erfahren Sie hier.

Gertrud Auguste Lina Elsbeth Mathilde Petrea Freiin von le Fort

wurde am 11. Oktober 1876 in Minden (Westfalen) als Tochter des preußischen Majors Lothar Friedrich Franz Peter Freiherr von le Fort (* 1831) und seiner Ehefrau Elsbeth Karoline Therese geb. von Wedel-Parlow geboren. Bedingt durch die Versetzungen des Vaters verlebte sie Kindheit und Jugend an verschiedenen Orten: Minden (1876 – 1880), Berlin (1880 – 1884), Koblenz (1884 – 1888), Hildesheim (1888 – 1897), Halberstadt (1897) und schließlich Ludwigslust (ab 1898). Bis zu ihrem 14. Lebensjahr war sie im Elternhaus durch ihren Vater – weitgehend anhand des Familienarchivs – privat unterrichtet worden und besuchte erstmals dann in Hildesheim eine öffentliche Schule. Im Sommersemester 1908 immatrikulierte sie sich als Gasthörerin an der Universität Heidelberg, wo sie mit Unterbrechung bis zum Wintersemester 1912/13 verblieb. Schließlich wechselte sie an die Universitäten in Marburg (WS 1913/14) und Berlin (WS 1915/16 und SS 1917).

Theologische, geschichtliche und kulturgeschichtliche Lehrveranstaltungen standen dabei im Vordergrund, ihre wichtigsten Lehrer waren Ernst Troeltsch und Hans von Schubert. Hatte sie bereits ab dem Jahr 1893 da und dort Gedichte, später auch kurze Erzählungen veröffentlicht, teils auch unter dem Pseudonym Gerta von Stark und Petrea Vallerin, etablierte sie sich mit ihren „Hymnen an die Kirche" 1924 – für sie selbst völlig überraschend – als anerkannte Dichterin. Eine Reihe von Romaufenthalten trug dazu bei, dass sie 1926 zur Katholischen Kirche konvertierte. Die politischen Gegebenheiten (Erster Weltkrieg, Verlust des ihrem Bruder Stefan übereigneten Guts Boek in Mecklenburg/Vorpommern) führten Gertrud von le Fort schließlich nach Baierbrunn im Isartal, wo sie 1922 zusammen mit ihren beiden Geschwistern die „Konradshöhe" erwarb. Doch Heimat wurde für sie auch dieser Wohnsitz nicht. Gesundheitliche Gründe erzwangen ab Ende des Jahres 1936 einen Kuraufenthalt in Arosa, von wo sie erst im Mai 1939 nach Deutschland zurückkam. Das Oberstdorfer Klima war schließlich ausschlaggebend, dass sie ab 1940 als dauernden Wohnsitz Oberstdorf wählte, wo sie am 01. November 1971 schließlich im hohen Alter von 95 Jahren verstarb.

Ihr literarisches Werk lässt sich in drei Schaffensperioden gliedern: das Frühwerk mit Gedichten und Erzählungen, die mittlere Periode mit den „Hymnen an die Kirche" (1924), den „Hymnen an Deutschland" (1932), den Romanen „Das Schweißtuch der Veronika/Der römische Brunnen" (1928), „Der Papst aus dem Ghetto" (1930), „Die Magdeburgische Hochzeit" (1938), und einer Reihe von Erzählungen und Novellen wie „Die Letzte am Schafott" (1931), „Das Reich des Kindes" (1933), „Die Opferflamme" (1938), „Die Abberufung der Jungfrau von Barby" (1940). Und schließlich ist das Spätwerk während ihrer Oberstdorfer Zeit zu nennen mit „Das Gericht des Meeres" (1943), „Das Schweißtuch der Veronika/Der Kranz der Engel" (1946), „Die Tochter Farinatas", „Plus ultra" (1950), „Am Tor des Himmels" (1954) und weiteren Erzählungen bis hin zu ihrer letzten „Der Dom" (1968).

An dieser Stelle all die Personen nennen zu wollen, mit denen Gertrud von le Fort in Verbindung stand, ist unmöglich. Genannt seien lediglich aus dem theologischen Umfeld Ernst Troeltsch, Hans von Schubert, Erich Przywara, Edith Stein, Hans Urs von Balthasar, für den literarischen Bereich Hermann Hesse (der sie 1949 für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen hat), Reinhold Schneider und Carl Zuckmayer.

Auch die Würdigungen ihres Werkes sind vielfach: Literaturpreis der Stadt München (1947), Badischer Staatspreis (1948), Mitglied der Akademie der Schönen Künste (1948), Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (1950), Gottfried-Keller-Preis (1952), Großer Preis des Landes Nordrhein-Westfalen (1955), Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin (1955), Dr. theol. h.c. der Ludwig-Maximilians-Universität München (1956), Bayerischer Staatspreis (1959), Bayerischer Verdienstorden (1959), das Große Bundesverdienstkreuz (1953) mit Stern (1966), Kultureller Ehrenpreis der Stadt München (1969). Auf regionaler Ebene: 1956 Ehrenbürgerin von Oberstdorf, 1959 Ehrenring des Landkreises Sonthofen, 1966 Ehrenbürgermedaille der Marktgemeinde Oberstdorf.

Anlässlich ihres 100. Geburtstags wurde 1976 das „Gymnasium Oberstdorf" nach der Dichterin in „Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium" umbenannt. Als im Jahr 1959 das an der Rubinger Straße in Oberstdorf neu errichtete Schulgebäude mit einem Festakt in der Oberstdorfer „Film-Bühne" feierlich seiner Bestimmung übergeben wurde, saß Gertrud von le Fort unter den Ehrengästen. Von unserer Schülerzeitung „Der Wecker" im Jahr 1967 befragt, was die 90-jährige Dichterin der Jugend zu sagen habe, erwiderte diese:

„Wenn ich von der Jugend um Rat gebeten werde, so möchte ich sie bitten: Überschätzt niemals eure verstandesmäßigen Begabungen und Talente – wer solche besitzt gleicht einem wohl ausgerüsteten Schiff, das aber trotzdem zum Scheitern bestimmt ist, wenn nicht Charakter und Herz das Steuer führen. Das eigentliche Glück eures Lebens besteht nicht im beruflichen Erfolg, sondern in der Fülle der menschlichen und seelischen Vollendung. In demselben Maße, wie sie eurer Generation gelingt oder misslingt, wird sich nicht nur euer Schicksal, sondern auch das des Abendlandes vollziehen."

Manfred Schäfer